ECOR
European Communities of Restoration – Alternative Formen im Strafvollzug und in der Nachsorge
Auf internationaler Ebene wird mit Besorgnis die Frage diskutiert, welche Folgen sich für die Gesellschaft aus einer steigenden Belegung der Gefängnisse ergeben. Funktioniert das „System Gefängnis“ in seiner jetzigen Form überhaupt noch? Während Freiheitsstrafen für gefährliche Straftäter, die ein Risiko für die Öffentlichkeit darstellen, notwendig sind, ist die flächendeckende Inhaftierung aller Straftäter kontraproduktiv und wirtschaftlich ineffizient. Die finanziellen Mittel, die dafür aufgewendet werden müssen, sind immens. Hinzu kommen Folgekosten, die zwar schwer quantifizierbar sind, aber ganz offensichtlich ein beträchtliches Ausmaß annehmen. Denn der Verlust familiärer und sozialer Bindungen führt häufig dazu, dass Straftäter rückfällig werden und so dem Staat und der Gesellschaft noch mehr Lasten aufbürden. Es gibt klare Anhaltspunkte dafür, dass Alternativen zum konventionellen Strafvollzug effektiver sind, weil sie die Rückfallquoten niedrig halten. Bei Entscheidungsträgern mangelt es derzeit jedoch noch an Kenntnis über bewährte Verfahren (sog. best practices) im Bereich dieser alternativen Herangehensweisen. Darüber hinaus gibt es keine europäischen Standards oder Benchmarks, wie solche Programme durchzuführen und zu überprüfen wären. Ohne derartige Standards werden alternative Methoden zum konventionellen Strafvollzug weiterhin nur eine Nebenrolle zu den bekannten und bewährten Verfahren spielen – mit all den eingangs geschilderten negativen Konsequenzen.
Das Projekt European Communities of Restoration (ECOR) entwickelte daher Lösungsstrategien für dieses Problem. Es widmete sich dem Austausch und der Entwicklung von good practices hinsichtlich der Verbesserung von Haftbedingungen, förderte Alternativen zum konventionellen Strafvollzug und entwickelte Nachsorgeprogramme. Das Projekt hatte zum Ziel, eine in Lateinamerika erfolgreich angewandte Methode für Europa passend zu machen. Die Communities of Restoration sollen den Beteiligten helfen, Verantwortung für sich selbst, ihre Gemeinschaft, ihre Vergangenheit und ihre Zukunft zu übernehmen. Diese unter der Bezeichnung Association for the Protection and the Assistance of the Convicted (APAC) bekannte Methode ermutigt die Teilnehmer, die Opferperspektive wahrzunehmen, eine Schul- oder Berufsausbildung zu absolvieren, Teamgeist zu entwickeln und mit Sport ihren Selbstwert zu erhöhen. Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter leben eine positive Gruppenkultur vor und zeigen so, wie man Werte in einer Gemeinschaft lebt. Auf diese Weise wird der Einfluss einer unter den Häftlingen verbreiteten negativen Subkultur verringert. Die positiven Normen und Werte können auch durch die Teilnahme an gemeinschaftlichen Aktivitäten in Gemeinde- und Jugendgruppen, gemeinnützigen Einrichtungen, Sportvereinen oder Wirtschaftsbetrieben eingeübt und verinnerlicht werden.
Das ECOR-Projekt hat die gegenwärtigen Möglichkeiten für Alternativen zum konventionellen Strafvollzug in Europa untersuchen und die Ergebnisse für die Errichtung von fünf neuen APAC-Abteilungen genutzt – sowohl in Gefängnissen als auch in Nachsorgeeinrichtungen. Eine gründliche Auswertung und Dokumentation des Umsetzungsprozesses hat die Erstellung von Best-Practice-Standards erlaubt. Ausgehend von den Ergebnissen wurden ein umfassendes Handbuch und ein Trainingsbuch für die Anwendung von APAC im europäischen Kontext veröffentlicht. Diese Materialien wurden im Rahmen einer europäischen Abschlusskonferenz gemeinsam mit einer Videodokumentation präsentiert.
Das ECOR-Projekt hat dazu beigetragen, dass sich die APAC-Methode langfristig in Europa als zuverlässige Lösung für die Probleme von Gefängnisüberbelegung, sozialem Rückzug und Rückfallkriminalität etabliert.